Die Kirche St. Bernhard am Spitzingsee und ihre bewegte Geschichte
Ein bisschen düster und abweisend wirkt die katholische Kirche St. Bernhard in der Ortsmitte von Spitzingsee. Komplett aus grauem Stein erbaut, trotzt sie seit Jahrzehnten den rauen Wetterbedingungen in den bayerischen Bergen. Doch wer glaubt, dass diese Kirche steht schon seit Jahrhunderten an ihrem Platz steht, irrt. Die Grundsteinlegung des massiven Bauwerks fand am 22. August 1937 statt. Initiator des Baus war der damalige Schlierseer Ortspfarrer Adalbert Obermayer. Schon damals erfreute sich das Spitzingseegebiet bei Wanderern und Wintersportlern großer Beliebtheit. Die Menschen pilgerten in Scharen in das kleine Bergdorf und sollten dort auch die Gelegenheit zur Zwiesprache mit dem Herrn erhalten.
Doch der Bau gestaltete sich schwierig. Die politischen Verhältnisse erforderten zähe Verhandlungen mit den nationalsozialistischen Machthabern. Sie bestimmten, dass aus Spargründen als Baumaterial nur am Berg gebrochener Stein und dort geschlagenes Holz verwendet werden dürfen. Die Handwerker machten sich dennoch mit Feuereifer ans Werk und begannen nach den Plänen des Münchner Architekten Friedrich Haindl mit dem umfangreichen Bau.
Der Turm stürzte ein
Am 15. Juni 1938 geschah jedoch ein Unglück: Durch wolkenbruchartige Regenfälle stürzte der frisch errichtete Turm in sich zusammen. Verletzt wurde damals zum Glück niemand. Schon drei Monate später löste sich ein großer Steinblock aus dem wiederaufgebauten Turm und zerschlug das Baugerüst. Diesmal wurden drei Arbeiter verletzt. Als Ursache ermittelte man damals die Verwendung von minderwertigem Zement.
Im Herbst des Jahres 1938 waren die Baumaßnahmen dann abgeschlossen, und die Gemeinde Spitzingsee konnte die feierliche Einweihung der Kirche mit Kardinal Michael von Faulhaber in festlichem Rahmen feiern. Gewidmet ist die Kirche übrigens dem heiligen Bernhard von Mentone, dem Schutzheiligen der Alpenbewohner, Alpenwanderer und Bergsportanhänger.
iobsbotschaft für die Dorfbewohner
Im Jahr 1942 erreichte die Einwohner des Dorfes am Spitzingsee eine Hiobsbotschaft: Die NS-Organisation „Energie und Kraft“ beabsichtigte, eine 17 Meter hohe Staumauer nahe der Alten Wurzhütte zu errichten. Das Wasser des Sees sollte auf diese Weise gestaut und zur Energiegewinnung genutzt werden. Um dieses Projekt zu realisieren, sollten die Dorfbewohner umgesiedelt und die Kirche St. Bernhard sowie die umliegenden Häuser und Gehöfte abgerissen werden. Doch zum Glück konnte das Projekt bis zum Kriegsende 1945 nicht mehr verwirklicht werden, und der Ort Spitzingsee blieb erhalten.
Die heftigen Winde und starken Schneelasten setzten der steinernen Kirche in den letzten Jahrzehnten arg zu. Deshalb wurde sie in den 1990er-Jahren aufgrund umfassender Renovierungsarbeiten für einige Zeit geschlossen. Am 1. Juni 2000 erstrahlte das Äußere und Innere der Kirche in neuem Glanz und war wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ein Segen für die Bergmenschen
Das Besondere im Innenraum des Gebäudes ist die trapezförmig gewölbte Holzdecke mit einer Inschrift, die den Bergsegen Papst Pius XI. – der ein begeisterter Alpinist war ‒ wiedergibt:
„Segne, Herr, die Seile, Stöcke, Pickel und alle Ausrüstung der Bergsteiger, auf dass sie durch ihren Gebrauch, an steilen und abschüssigen Höhen und Wänden, auf eisigen Gletschern und im Toben der Stürme vor Absturz und jeglicher Gefahr gesichert seien, glücklich die Gipfel erklimmen und heil zu den Ihren wiederkehren.
Schirme, Herr, durch die Fürbitte des Hl. Bernhard, den Du als Patron der Almen und Alpenwanderer auserwählt hast, diese deine Diener und gewähre ihnen in Deiner Huld, dass sie im Bergsteigen unserer Höhen auch auf den Berg gelangen, der da ist Christus, unser Herr, Amen.“
(Auszug Schlierseer Orts-Chronik)
Wohnhaft in Warngau, geboren in Tegernsee, aber dem Schliersee herzlich zugetan. Zweifache Mama und als freiberufliche Redakteurin, Sprecherin und Schauspielerin viel unterwegs. Steckenpferde: Kunst und Kultur, Natur (vor allem Bäume) und Schuhe!