Kostüm Schliersee: Upcycling für den Kleiderschrank

Kleiderstangen an Kleiderstangen, schwere Barockkostüme neben zarten 20er-Jahre-Roben, ein fantasievoller Kopfputz aus getrockneten Pflanzen neben klassischen Zylindern: Der Kostümfundus von Angelika Hubner ist eine wahre Schatzkammer. In einem schmalen Dachzimmer hat die Schlierseerin zusammengetragen, was sie über Jahrzehnte als Kostümbildnerin gefertigt und als kreative Querdenkerin gesammelt hat. An die 10.000 Einzelteile, so schätzt Angelika Hubner, gehören zu ihrem Fundus.

Upcycling als Herzensangelegenheit

Die eigene Kreativität mit Mode ausdrücken, gebrauchte Kleidungsstücke abändern und neu entdecken, hochwertige Materialien wie Leinen und Seide wertschätzen: Das Thema Re- und Upcycling treibt Angelika Hubner an. Jedes spannende Material, jede stoffliche Inspiration verwendet die Schlierseerin für neue Projekte mit Kostüm Schliersee wieder – ob sie nun eine Statement-Kette aus alten Gardinenröllchen fertigt oder einen Rock aus abgelegten Krawatten. Als Erste in der Region hat Angelika Hubner Modetausch-Partys organisiert. Das Prinzip beim Swapping („Tauschen“): Die Teilnehmer bringen ungeliebte, aber einwandfreie Kleidungsstücke, Accessoires und Schuhe mit zur Party – und bekommen dafür Punkte gutgeschrieben. Diese können sie gegen Hosen, Kleider, Mäntel oder ganze Outfits der anderen Teilnehmer eintauschen.

„Das elegante 60er-Jahre-Kostüm etwa, aus dem die ursprüngliche Besitzerin längst rausgewachsen ist, wird der Hingucker im Kleiderschrank der Vintage-liebenden Studentin“, erzählt Angelika Hubner. „Das finde ich toll – und ausgesprochen nachhaltig.“ Die gelernte Kostümbildnerin organisiert die Modetausch-Partys ehrenamtlich und steht den Teilnehmern mit ihrer Expertise zur Seite: „Wie lässt sich ein besonderes Stück so umarbeiten, dass es meiner Persönlichkeit und dem Anlass entspricht?“

 

Kreativer Schöpfergeist von Kindesbeinen an

Angelika Hubners Leidenschaft für Mode und für die Vielseitigkeit von Kleidung zeigte sich schon in ihrer Kindheit: „Meine Mutter hatte mir eine für die damalige Zeit sehr teure Baumwollstrumpfhose gekauft“, erzählt die Schlierseerin, die in Bingen am Rhein geboren wurde. „Entsetzt musste sie dann feststellen, dass ich den Bauch der Strumpfhose ausgeschnitten und die Beine und Füße mit Zeitungspapier ausgestopft hatte, um daraus einen Kopfschmuck à la Till Eulenspiegel zu basteln.“ Nach dem Abitur absolvierte Angelika Hubner diverse Praktika – Voraussetzung für ein Bühnen- und Kostümbildstudium.

 

Startschuss für die Kostümsammlung

Im ehemaligen „Modesalon Gisela“ in München, in dem sich damals Showgrößen wie Inge Meysel oder die Jacob Sisters einkleideten, lernte sie das Schneiderhandwerk von der Pike auf. „Ich habe nur ein kleines Taschengeld für meine Arbeit erhalten“, erinnert sich Angelika Hubner. „Aber am Ende bekam ich viele tolle Kostüme geschenkt – auch halbfertige Kleider, die den Kundinnen nicht gefallen oder gepasst haben. Das war der Beginn meiner Sammelleidenschaft und der Grundstein für Kostüm Schliersee.“

 

Vom Entwurf bis auf die Bühne – Engagement in Landshut

Angelika Hubner legte ihr Diplom an der Meisterschule für Mode in München ab, studierte außerdem ein Jahr lang an der Akademie für Bühnen- und Kostümbild in Venedig. Anschließend verschlug es die gebürtige Rheinland-Pfälzerin ans Stadttheater nach Landshut, wo sie vier Jahre lang die Kostümabteilung leitete: „Mein Arbeitstag begann morgens um acht Uhr in der Schneiderei: Zuschnitt, Nähanweisungen fürs Team, Einkauf von Materialien, Accessoires und Stoffen – die oft noch eingefärbt und bearbeitet werden mussten. Außerdem hatte ich Anproben mit den Schauspielern oder Sängern, war dabei, wenn neue Stücke besprochen wurden, oder bei Proben präsent, um zu testen, wie rasch wir die Akteure umziehen konnten. Bei den Aufführungen – besonders bei den regelmäßigen Fahrten zu unseren Partner-Spielstätten wie Passau und Straubing – habe ich oft auch in der Maske ausgeholfen, die Schauspieler an- und ausgekleidet.“ Wenn Not am Mann war, stand Angelika Hubner sogar selbst in kleineren Rollen auf der Bühne. Für die kreative Konzeption, das Zeichnen von Figurinen und Entwürfe blieb nur am Wochenende Zeit.

 

Von Berlin bis zum Broadway: Internationale Engagements

Auf Landshut folgten drei Jahre Engagement am renommierten Münchener Residenztheater. „Ein großes Haus mit einer ganz anderen Arbeitsweise“, sagt Angelika Hubner. „Anders als vorher lagen die verschiedenen Produktionsschritte nicht mehr in einer Hand, sondern fanden in sehr spezialisierten Abteilungen statt.“ Ihr erstes freiberufliches Engagement führte Angelika Hubner im Sommer 1989 nach Berlin. Für Regisseurin Amélie Niermeyer, heute unter anderem Professorin am Mozarteum Salzburg, stattete sie das Fluchtdrama „Das Double“ aus, das zur Zeit der Berliner Mauer spielte. „Die Inszenierung bekam eine besondere Aktualität, als im November danach die Mauer fiel. Davon erfuhr ich vor dem Fernsehapparat in New York, wo ich als Assistentin der amerikanischen Kostümdesignerin Patricia Zipprodt an einer Broadway-Produktion arbeiten durfte.“ Wieder in Europa, führte Angelika Hubners nächster Auftrag sie nach Basel: „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach. „Unsere Bühne war eine alte Autogarage“, erinnert sich Angelika Hubner. „Wir hatten wenig Geld für die Ausstattung zur Verfügung und mussten schauen, wo wir das Material herbekamen. Für die mittelalterlichen Ritterkostüme haben wir rund 30 Meter Vorhangstoff verarbeitet und selbst gefärbt. Jeder Ritter trug neu gefertigte Overalls mit seinen ihm eigenen Farben und Signets.“

 

Vorträge zu Modepsychologie

Für jede Inszenierung liest sich Angelika Hubner detailliert in die jeweilige Epoche ein, schaut, welche Einflüsse tonangebend sind, welche Stilmittel genutzt werden: „Ich möchte verstehen, welche gesellschaftlichen und kulturellen Trends in der Mode zum Ausdruck kommen.“ Über den Zusammenhang zwischen Mode, Macht und Politik hält die Schlierseerin auch Vorträge: „Was sagt Angela Merkels Kleidungsstil über sie aus? Und warum trägt Donald Trump so häufig rote Krawatten? Diese Fragen haben ganz viel mit Modepsychologie zu tun“, so Angelika Hubner. Die Schlierseerin selbst trägt ihrem Temperament entsprechend gerne farbenfrohe Mode, zu der sie ihre auffälligen Statement-Ketten kombiniert.

 

Neben ihrer konzeptionellen und kreativen Arbeit als Bühnen- und Kostümbildnerin verleiht Angelika Hubner auch Einzelstücke aus ihrem Fundus an Theaterhäuser sowie Privatpersonen und fertigt maßgeschneiderte Kleidungsstücke nach Kundenwunsch. Ihr wichtigstes Projekt in diesem Jahr ist jedoch rein privater Natur: Für ihren Sohn und die Schwiegertochter hat sie das Hochzeitsoutfit entworfen und angefertigt.

 

 

Impulsgeberin beim „Markt der Ideen“

Persönlich erleben kann man Angelika Hubner am 14. Juli im Holzkirchener Oberbräu zum Abschluss der Reihe „Anders wachsen“: Beim „Markt der Ideen“ stellt sie alternative Kunst vor und will anregen, allgegenwärtige Materialien bewusst zu verwenden.

 

am Samstag 14. Juli 2018 von 11:00 bis 18:00 Uhr im Kultur im Oberbräu, Marktplatz 18a, 83607 Holzkirchen

 

 

Kontakt

Kostüm Schliersee

Angelika Hubner

Web: www.kostuem-schliersee.de

E-Mail: angelikahubner@kostuem-schliersee.de
Tel.: +49 (0)171. 204 70 90

 

 

Sandra Leu

Rheinländerin in Oberbayern. Ist der Liebe gefolgt und hat den Schliersee als Herzensort entdeckt. Freie Redakteurin, PR-Frau und Mama von Zweien. Zeigt Unternehmerinnen und Gründerinnen, wie sie mit Storytelling sichtbar werden und ihre besten Kunden anziehen. Ihr Business: Hallo Heldin! Ihre Kreativitätstechnik: die Joggingrunde um den See.