Beiträge

Vom Oimvirus infiziert

Heid bin i auf der Suche, um rauszufinden, was es bedeutet, „vom Oimvirus infiziert“ zu sein. Des hört sich a bissal wild an, aber es ist ganz harmlos. Es sind Menschen, die so begeistert sind vom Oimleben (Almleben), dass sie beschlossen haben, einen ganzen Almsommer mit den Tieren auf der Alm zu leben.

 

 

Vor über 30 Jahren war ich selbst vom Oimvirus infiziert und verbrachte zwei Sommer auf der Rettenbäckalm auf der Bodenschneid. Eine wunderschöne Zeit, die ich nicht missen möchte. So führt mich der erste Weg heut wieder Richtung Bodenschneid zur Rettenbäckalm.

Hier treffe ich Robert vom Landkreis Aichach-Friedberg, von Affing. Er ist heuer der Oimara (Senner) von der Rettenbäckalm. Früher war er Metzgermeister und stammt selbst von einem Hof. In der Direktvermarktung mit heimischem Fleisch und Spezialitäten von den Rindern seines Bruders hat er Jahre in der Metzgerei gearbeitet. Anschließend war er 30 Jahre bei der Firma Zott als Schichtführer, bis er in Rente ging. Sein Wunsch wuchs sehr stark, mal auf die Alm zu gehen. Runterkommen, Nachdenken und die Liebe zu den Tieren ‒ das alles gefällt Robert sehr gut. „Du musst abschließen, du bist hier oben, kein Handy, kein Fernseher, des muss man mögen“, so die Worte von Robert. Dann gibt er mir schöne Führung rund um die Alm und seinen Hühnerstall. Im Stall erholen sich derweil die kleinen Rinder, da es über 30 °C warm ist.

 

Mein Weg führt mich weiter zur Freudenreichalm zur Oimarin (Sennerin) Agnes. Die Agnes ist für die Viecher, die Alm sowie die Bewirtung zuständig und hat große Freude dabei.

Auf meine Frage, ob sie denn keine Angst vor Gewitter habe, antwortet sie: „Nein, aber ich bin dann schon froh, wenn ich in der Hütte bin und nicht drauß auf dem Feld.“

Meist ist Agnes allein auf der Alm ‒ außer bei schönem Wetter, wenn die Wanderer und Radlfahrer unterwegs sind und bei ihr einkehren.

Agnes kümmert sich heuer um 46 Jungrinder, die tags und nachts auf der Almweide sind. Somit hat sie keine Stallarbeit.

Zu Hause ist Agnes in Murnau. Sie hat in Gmund gearbeitet und dabei die Gegend um Schliersee lieben gelernt. Mittlerweile sind es schon vier Almsommer, die Agnes in den Schlierseer Bergen verbringt. Sie ist also ganz klar vom „Oimfieber infiziert“.

Urlauber und einheimische Gäste sind auf den Almen rund um Schliersee herzlich willkommen. Die Almzeiten dauern meist bis ca. Ende September. Hier trefft man auf sehr interessante Menschen und ihre Geschichten.

 

 

Angelika Prem

Naturverliebte Schlierseerin, Kräuterpädagogin, Referentin und Seminarleiterin, Senior-Hennererwirtin, BBV Ortsbäuerin, liebt gutes regionales hausgemachtes Essen und entspannt beim Kuchen backen

 

 

 

Mein Lieblingsplatzal – die Bodenschneid

Heute bin ich ganz besonders früh aufgestanden, um an mein Lieblingsplatzal zu kommen.

Am Hennererhof  ging es los, noch war es relativ dunkel. Der Weg führt mich durch das Tufftal, dort kann ich schon das Gipfelziel sehen. Ich marschiere durch das Almgelände von der Unteren Kraisberger Alm und gönne mir das erste Frühstück. Das Almvieh ist noch nicht wach, die Vögel singen ihre Morgenlieder.

 

 

Am Stachus vorbei, höre ich schon das erste Rascheln im Wald … ein Hirsch. Ich freue mich so sehr, ihn zu sehen, dass ich ganz vergesse, meine Kamera zu zücken ‒ ein sehr schönes Erlebnis am Morgen.

Der Weg führt weiter nach dem ersten Abzweig Richtung Bodenschneid, links geht der Weg zur Freudenreichalm. Jetzt wird es ein bisschen steiler, und ich höre schon die Rinder der Rainer Alm. Plötzlich zischen ein paar E-Biker an mir vorbei ‒ die haben es aber eilig! Ich lasse mich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und entdecke ein weiteres Naturschauspiel: Ein großes Rudel Gamsen grast friedlich rechts am Berg vor sich hin. Unterhalb die Kalbinnen von der Rainer Alm. Die Sennerin ist gerade mit dem Melken fertig und erledigt ihre restliche Stallarbeit.

Ich marschiere weiter zur nächsten Alm, der Rettenbeckalm und der Bodenschneid-Wirtschaft. Dort angekommen, stehen die Radler beisammen zum Morgengebet. Aha, denke ich mir, deshalb hatten sie es so eilig. Ein kurzer Ratsch mit ihnen, dann werde ich überrascht mit einem Kiachä (Schmalzgebäck) vom Diakon, mmmhhhh, so gut.

Weiter geht’s Richtung Gipfel. Der Anstieg ist ab jetzt schon anspruchsvoll, und es ist sehr ratsam, auch ein paar Wanderstöcke dabeizuhaben. Hier ist die Pflanzenwelt so vielfältig, da kann man sich gar nicht sattsehen. Thymian, Oimarausch, Trollblume, Bergrose, Silberfrauenmantel, um nur einige zu nennen.  Mittlerweile ist auch schon die Sonne aufgegangen, ganz schön heiß ist es mittlerweile. Immer wieder musste ich stehen bleiben und die wunderschöne Aussicht genießen.

Der letzte Anstieg führt mich durch ein steiniges Gelände hinauf zum Gipfelkreuz der Bodenschneid.  Boahhh … angekommen. „Mein Lieblingsplatzal“, es hat sich wieder mal gelohnt. Ich bin ganz allein und genieße die wunderschöne Aussicht.

 

 

 

Angelika Prem

Naturverliebte Schlierseerin, Kräuterpädagogin, Referentin und Seminarleiterin, Senior-Hennererwirtin, BBV Ortsbäuerin, liebt gutes regionales hausgemachtes Essen und entspannt beim Kuchen backen

 

 

 

Leonhardifahrt von Schliersee nach Fischhausen – Impressionen einer Wallfahrt mit Pferdeweihe

Seit dem 11. Jahrhundert wird der hl. Leonhard besonders in den Alpenländern verehrt. Hier gilt er als Helfer in der Not und Schutzpatron für das landwirtschaftliche Vieh und dabei insbesondere für die Pferde.

Die Leonhardifahrt ist eine traditionelle Veranstaltung, welche alljährlich im November zelebriert wird. Der Festzug besteht aus in liebevoller Kleinarbeit mit Almrausch, Erika, Daxen und vielen weiteren Almpflanzen geschmückten Tafelwagen, aufwändig bemalten Truhenwagen und Reitern, deren Rösser, vom Pony bis zum Kaltblüter, mit kunstvollen Bändern und Gebinden verziert sind. Die teilnehmenden Bäuerinnen, Bauern und Vereine feiern die Pferdeweihe im traditionellen Festtagsgewand.

Die Wallfahrt beginnt am Sonntag, 4. November 2018 um 9:00 Uhr in der Ortsmitte von Schliersee und verläuft am See entlang bis zum Wallfahrtskircherl St. Leonhard in Fischhausen. In diesem Jahr werden 56 Gespanne teilnehmen. Nach der ersten Umrundung der Wallfahrtskirche findet eine feierliche Feldmesse unter freiem Himmel statt. Währenddessen können die Zuschauer die Gefährte aus der Nähe bestaunen.

Für die teilnehmenden Frauen, Männer und Kinder ist der Festakt auch ein gemeinschaftliches Ereignis, auf dem man sich austauscht, das von den Frauen mitgebrachte, selbst gebackene Gebäck genießt und das eine oder andere Schnapserl miteinander trinkt. Auch mit in ihrer Tracht hübsch zurechtgemachten Mädels und flirtende junge Männer können beobachtet werden. Nach der Pferdeweihe und dem gemeinsamen Miteinander machen sich die Wagen und Reiter dann wieder auf ihren Weg nach Hause.

 

 

 

Die Bundesstraße 307 ist übrigens am Tag der Leonhardifahrt zwischen Schliersee und Neuhaus von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr gesperrt.

 

 

Ulrike Mc Carthy

Geborene Münchnerin und seit vielen Jahren begeisterte „Wahl-Schlierseerin“ Personaldiagnostikerin, Trainerin, Seminarleiterin, Hypno- und Gesprächstherapeutin, Hofbetreuerin im altbayerischen Dorf und vor allem Hobby-Fotografin.

 

 

 

Vorbereitung zum politischen Gipfeltreffen in Schliersee

Am 01. August 2018 findet in Schliersee die Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern statt.

Ministerpräsident Markus Söder und stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner haben ihre Teilnahme zugesagt.

Heute mache ich, Prem Angelika vom Schliersee Magazin, meine persönliche Vorbegehung zur Hauptalmbegehung. Um fünf Uhr beginne ich am Ausgangspunkt ‒ dem Hennererhof.

Herrlich, diese Ruhe am Morgen, die Waldbewohner wachen langsam auf, die ersten Vögal zwitschern, und ich mittendrin. Bepackt mit Frühstück und Kamera geht’s los.

Ich bin voller Vorfreude, was mich heut so alles erwartet. Der Weg führt mich auf dem Prinzenweg in Richtung erste Station. Nach der Steigung bieg ich die zweite Weggabelung nach links ab zum Lahner Höhenweg. Nach etwa 200 m geht’s dann rechts ab zur Oberen Krainsberger Alm.

Das Gatter zeigt mir, dass ich ab jetzt auf dem Almgelände bin. Bei herrlichem Sonnenaufgang, mit Wolken durchzogen, erreiche ich das Almgebäude. Hund Seppi schlägt Alarm, und die Oimarin (Sennerin) Monika streckt sich in der aufgehenden Sonne und zieht sich an, um sich ums Vieh zu kümmern.

Ein kurzer Ratsch, und weiter geht’s in Richtung Baumgartenalm. Der Weg führt mich durch den Wald, vorbei an der Standlhütte. Ein schmaler Steig, mit Steinen und Holzscheiben von den Almbauern hergerichtet, ist momentan sehr schön zu gehen.

Allerdings sind richtiges Schuhwerk und eine gute Kondition sehr wichtig.

Durch die Waldlichtung höre ich jetzt das Geläut von den Kälbern der Almerin Monika, und auch ihre Kalbinnen fangen an zu grasen. Im Hintergrund beginnt der Berufsverkehr im Tal.

Ich bin so angetan von der himmlischen Ruhe am Morgen und gönne mir eine kleine Pause. Ein kleines Frühstück mit Butterzopf und Frühstücksei … mmmmhhhh

Jetzt spitzt auch die Sonne hinter den Wolken hervor, und meine Wanderung geht weiter.

Nach ca. 30 Minuten erreiche ich den Gipfel der Baumgartenschneid, dem höchsten Punkt der Hauptalmbegehung. Herrlich, dieser Ausblick.

 

 

Ein „Rundblick“ von Kreuth über den Tegernsee, dann weiter über das Albachtal, die Baumgartenalmen. Im Hintergrund die Kreuzbergalm und ein Blick Richtung Miesbach und Rosenheim. Friedlich unten im Tal der Hennererhof, Breitenbach und der wunderschöne Schliersee ‒ ein bayerisches Paradies.

Mein Blick geht weiter … der Attenberg, die Riesbauern, weiter zur Schliersbergalm und zum Oberleiten. Rechts daneben das Auracher Köpferl, Breitenstein und Wendelstein.

Ich kann dem Wildschütz Jennerwein sehr gut nachempfinden, warum er so gerne auf der Baumgartenschneid und in den Schlierseer Bergen unterwegs war …

Vorbei mit Träumen, jetzt geht’s weiter hinunter zu den Baumgartenalmen. Über den Parcours erreiche ich die Hütten, keiner da, also gehe ich weiter.

Am Ende der Almfläche überquere ich den Übersteig und marschiere über den Wald und den Wurzel-parcours runter zum Sogfleck.

Am Unterstand links vorbei den Steig zur Kreuzbergalm. Am Viehgatter angelangt, biege ich rechts auf die Forststraße und die breite Almstraße, die mich direkt zur Kreuzbergalm führt. Ab jetzt kommt der angenehme Teil der Begehung.

An der Kreuzbergalm angelangt, genieße ich wieder den wunderbaren Ausblick in die umliegende Bergwelt. Weiter geht’s bergab und dann über die Weidefläche wieder bergauf. Die Wanderwege hat die Schlierseer Gemeinde hervorragend erneuert.

Über den Überstieg, der ein wenig sportliche Aktivität fordert, dann angelangt an der Gindelalm, schau ich noch einmal zurück, bevor ich weitergeh.

Jetzt befinde ich mich schon auf den Gindelalmen. Auch hier ist der Weg sehr schön von den Gemeindemitarbeitern von Schliersee bestens hergerichtet worden. Der Weg führt mich entlang der Gindelalmschneid zum Gipfelkreuz. Wieder ein herrlicher Blick in Richtung München und ins flache Oberland. Begleitet vom Glockengeläut der Almtiere, gehe ich beschwingt bergab Richtung Almgebäude.

Hier wird fleißig vorbereitet für die Tageswanderer und natürlich für den großen Tag am 01. August.

Nach einer kleinen Pause geht es weiter Richtung Hennerer ins Tal. Die Forststraße ist neu aufgekiest und sehr gut zu gehen.

Nach fünf Stunden bin ich wieder zurück am Ausgangspunkt, und es erwartet mich ein wunderbares Frühstück vom Hennererwirt Hans, das bereits am Tisch steht. Köstlich!

 

 

Eckdaten zu den Almen:

Obere Krainsberger Alm

Die Obere Krainsberger Alm von Manhart Sepp und Monika, zum Hinterköck, in Westenhofen hat eine Lichtweidefläche von 31,9 ha. Die Weideflächen liegen zwischen 1100 m und 1400 m in einem Kessel nach Nordwesten und reichen im Osten bis auf den Lahnerkopf. In der Weidezeit vom 01. Juni bis Ende September werden 46 Stück Jungvieh aufgetrieben. Das Almgebäude liegt auf 1131 m und wurde 2009 neu erbaut. Die Alm wird von festem Almpersonal betreut.

 

Baumgartenschneid

Die Baumgartenalm, direkt unter der Baumgartenschneid, von Eham Josef, zum Pfleger, Hausham, ist nicht erschlossen. Sie hat eine Lichtweidefläche von 17,9 ha und wird mit 33 Stück Pensionsvieh bestoßen. Die Weideflächen liegen zwischen 1000 m und 1444 m bis hinauf zur Baumgartenschneid. Die Alm wurde vor einigen Jahren renoviert und wird von ständigem Personal behirtet.

 

Kreuzbergalm

Die Kreuzberalm von Eham Josef und Andrea, zum Köpfer, Miesbach. Sie hat eine Lichtweidefläche von 19 ha, liegt zwischen 1200 m und 1376 m auf dem Rücken des Kreuzbergs. Die Alm wird ab Mitte Mai mit 38 Stück eigenem Jungvieh und Pensionsvieh bestoßen. Ein Ehepaar kümmert sich liebevoll ums Vieh.

 

Gindelalm

Die Gindelalm wird von Grimm Annelies, zum Lex, Hausham und Leitner Johanna, zum Braun, Hausham bewirtschaftet. Der Anteil von Georg Fritzmeier wird von Annelies Grimm in Pacht mitbewirtschaftet. Die Weideflächen liegen auf 1240 m bis 1340 m. Die gesamte Lichtweidefläche beträgt 24,7 ha, und es werden insgesamt 37 Stück Jungvieh aufgetrieben (Eigen- und Pensionsvieh).  Im anliegenden Staatswald besteht ein Waldweiderecht auf 276 ha. Das Almgebäude von Fritzmeier ist verpachtet. An allen drei Almhütten erfolgt eine Bewirtung. Die Almdauer ist vom 01. Mai bis zum Kirchweihmontag (3. Wochenende im Oktober).

 

Hinweis:

13. und 14. Oktober 2018 großer Almbauerntag in Schliersee

 

 

Angelika Prem

Naturverliebte Schlierseerin, Kräuterpädagogin, Referentin und Seminarleiterin, Senior-Hennererwirtin, BBV Ortsbäuerin, liebt gutes regionales hausgemachtes Essen und entspannt beim Kuchen backen

 

 

 

Alloa in de Berg* ‒ Wieso, weshalb, warum?

Letztens wurde ich gefragt, warum ich alleine auf den Berg gehe und ob ich dabei Angst habe. Es ist nicht so, dass ich immer alleine auf den Berg gehe, im Gegenteil: Das Bergwandern in einer Gruppe oder zu zweit mit Freunden und Familie ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Zwei der schönsten Bergerlebnisse, die ich hatte, waren die beiden Male, als ich die Almer Wallfahrt von Maria Alm im Pinzgau über das Steinerne Meer nach St. Bartholomä am Königssee mitgegangen bin. Das war anstrengend, lang, und es waren jeweils mehr als 1.200 Wallfahrer dabei.

 

Von Zeit zu Zeit aber gehe ich sehr gerne alleine auf den Berg. Und Angst habe ich keine, stattdessen einen großen Respekt, vor allem vor einem plötzlichen Wetterumschwung mit Gewitter oder rasch aufziehendem Nebel. Regen, Schneefall und ein Kälteeinbruch sind nicht so schlimm, dafür habe ich immer zusätzliche passende Kleidung dabei, aber ein Gewitter oder dichter Nebel am Berg – das ist lebensgefährlich.

Passieren kann immer was, ein blöder Sturz, Straucheln und dabei umknicken. Alle, die mich kennen, wissen: Das kommt bei mir auch im Flachland vor. Deshalb nicht in die Berge gehen? Dad bei mir ned ge*…

Und wie jeder weiß, der draußen in der Natur unterwegs ist: Alles geschieht auf eigenes Risiko und eigene Gefahr.

 

Für mich ist wichtig, dass ich mein eigenes Tempo gehen kann, stehen bleibe, um zu fotografieren – Blumen, fliegendes Getier oder meine Lieblingsmotive: Koima* auf der Alm ‒, oder ein paar Minuten einem Specht, direkt neben dem Weg, beim Zerhacken eines morschen Stammes auf der Suche nach Käferlarven zuzuschauen.

Einmal wäre ich fast gegen einen Baum gelaufen, weil ich einem Oachkatzl* zugeschaut habe, wie es gekonnt von Ast zu Ast und von Baum zu Baum gesprungen ist, mich dabei immer im Blick habend und keckernd schimpfend. Ich hab’s dann leider aus den Augen verloren, als ich wieder auf den Weg schauen musste.

 

 

 

Faszinierend für mich sind auch die Lichtspiele der Sonnenstrahlen, die durch den dichten Bergmischwald blitzen und mich erahnen lassen, wie strahlend und heiß es sein wird, wenn ich die Baumgrenze hinter mir gelassen habe. Komme ich zu den blumenbunten Almwiesen mit den glockenläutenden Jungrindern darauf, dann stelle ich mir gerne vor, dass so das Paradies ausschaut: herrliches Wetter, blauweißer Himmel, a laus Lüfterl*, wunderbares Bergpanorama, es summt und brummt vor lauter Bienen, Hummeln, Fliegen und Käfern, Schmetterlinge fliegen vor mir vom Boden auf, Grillen zirpen, Vögel zwitschern, der Greifvogel stößt seinen schrillen Schrei aus – oder war das doch der Warnpfiff von einem Mankei*?

Es gibt so viel zu sehen ‒ dort ein ausladender Wachholderstrauch übersät mit Hunderten von kleinen, noch grünen Wachholderbeeren, hier eine intensiv rot leuchtende Walderdbeere, von der ein süßlicher Duft ausgeht ‒, aber am meisten staune ich über die vielfarbige, üppige Bergblumen- und -gräserpracht von unzähligen Margeriten, gelbem und weißem Hahnenfuß, Ochsenauge, Vergissmeinnicht, Schusternagerl und Schwalbenwurz-Enzian, Silberdistel und Oimarausch*, die verschiedensten Kleesorten, Kugelblume, Akelei und so vieles mehr.

 

 

 

Ich kann nicht sagen, welche Jahreszeit ich in den Bergen am schönsten finde, da jede Saison etwas Besonderes an sich hat.

 

Der Frühling ist eine spannende Zeit: Im Tal grünt und blüht es, doch oben am Berg herrscht noch die weiße Pracht des Winters vor. Wann beginnt die Schneeschmelze, dauert es noch lange, bis ich ohne zusätzliche Ausrüstung für Passagen im Schnee auf den Berg kann? Sind die Latschen* noch recht eingeschneit? Werde ich tief einbrechen? Wieder bis zu den Oberschenkeln, wie beim letzten Mal? Wie gut trägt der Schnee noch? Spitzt schon irgendwo ein Krokus oder ein Leberbleame* hervor? Schlagen die Laubbäume schon aus?

 

 

 

Im Sommer finde ich es wunderschön, dass so viel Leben in den Bergen ist, allem voran das aufgetriebene Vieh (Rind, Pferd, Schaf und Ziege) und das Läuten der Kuhglocken. Dieses Geräusch und den dazugehörigen Duft, der von den Tieren und ihren Ausscheidungen ausgeht, verbinde ich mit meiner Kindheit in Neuhaus: An jedem schönen Tag, den Gott gegeben hat, sind unsere Eltern mit Hund und uns Kindern auf den Berg gegangen: Brecherspitz, Jägerkamp, Bodenschneid, Wasser- und Rinnerspitz, Dürnbachmauern, Valepp und Schinder, Rotwand, Aiplspitz, Stolzenberg, Roß- und Rauhkopf – des is mei Gei*. Die Luft im Sommer ist erfüllt von einer Reihe ganz eigener Düfte: Geht man an einem abgestorbenen, silbrig verwitterten Baumstamm, der in der gleißenden Sonne daliegt, vorbei, dann kann man die metallene Trockenheit des Holzes förmlich riechen. Überall steigt einem der intensive Blumenduft oder im Wald und bei den Latschen eine wohltuende harzige Würze in die Nase.

 

 

 

Kommt dann der Herbst, doudelt* es: kein Kuhglockenläuten mehr, viele Insekten sind verstummt, und es sind unter der Woche auch weniger Menschen beim Bergwandern unterwegs. Nach ein paar kalten Tagen mit Regen sprießen die Schwammerl, und der Waldboden ist wieder mit einem federnden Laubteppich bedeckt. Eine ganz besondere Stimmung herrscht jetzt: Unten im Tal wabert der kalte Nebel, der sich tagelang nicht auflöst, am Berg dagegen scheint die noch Wärme spendende Sonne vom stahlblauen Herbsthimmel auf die leuchtenden Blätter der bunt verfärbten Laubbäume: Bergahorn, Buche, Grünerle, aber auch Sträucher und Büsche wie Holler* sowie Schwarz- und Weißdorn und als Nadelbaum die Lärche, die jetzt satte Gelb- und Orangetöne trägt. Und die Herbstzeitlose lässt einen schon wieder den Frühling erahnen.

 

 

 

Mit zu den beeindruckendsten Erlebnissen, die ich am Berg habe, ist der Sonnenaufgang ‒ nach einer einsamen Nacht unterm Sternenzelt auf einem Gipfel übernachtend.

Allein am Gipfel den Sonnenuntergang betrachten, ist schon beeindruckend. Ist die Sonne dann weg, wird es noch mal stiller, die Sterne leuchten intensiver, und stetig streicht nun der Wind über den Berg. Da ist es gut, dass ich auch in einer Hochsommernacht warme Kleidung, Handschuhe und Mütze trage und mein Schlafsack hervorragend isoliert. Die Isomatte, auf der ich liege, hält die Kälte, die vom felsigen Steinboden aufsteigt, von mir fern. Jeder Laut, jedes Geräusch das jetzt zu hören ist, kommt mir wesentlich lauter vor als während des üblichen Tageslärms.

Lange spannende und gleichzeitig entspannende kurzweilige Stunden mit unruhigem Schlaf später: Der fast unwirkliche Farbschimmer im nachtblauen Himmel verrät, wo die Sonne am Horizont erscheinen wird. Das erste Vogelgezwitscher, bevor noch die Morgendämmerung kommt, nehme ich viel intensiver wahr als das letzte Vogelgezwitscher in der Abenddämmerung, kurz bevor die Nacht anbrach. Zuerst wagt sich nur ein einzelner Vogel ans Zwitschern, doch seine Beharrlichkeit zahlt sich aus, und nach einiger Zeit bekommt er eine Antwort. Bald darauf ist aus den Solostimmen ein vielstimmiger, klangvoller Chor verschiedenster Vogelgesänge geworden. Bis der Tag anbricht und Bienen, Mücken, Fliegen und Käfer zu fliegen anfangen, dauert es noch eine Weile. Die Farbe des Himmels und der Lichtstreif, den die aufgehende Sonne erzeugt, wechseln von satten, dunklen Farben bis hin zu pastelligen Rosa- und Blautönen, die schließlich in das gleißende Licht der aufgegangenen und strahlenden Sonne übergehen. Die Luft wird schlagartig warm und ist voller Düfte. Rundherum pulst wieder das Leben ‒ ein neuer Tag hat begonnen.

 

 

 

Frühzeitig am Abend auf den Gipfel gestiegen, Mond und unzählige Sterne betrachtet und lange am Morgen den malerischen Sonnenaufgang genossen. Diese Stunden allein mit mir und nur Natur um mich herum sind eine richtige Auszeit aus dem Alltag: Ein Tag beziehungsweise eine Nacht am Berg ist wie eine Woche Urlaub.

 

 

Textbeschreibung *:

Alloa in de Berg = Alleine am Berg unterwegs

Dad bei mir ned ge = das würde für mich nicht infrage kommen

a laus Lüfterl = eine leichte Brise

Koim/Koima = Kalbin/Kalbinnen (ein- und zweijährige weibliche Rinder, die noch kein Kalb haben), nicht verwechseln mit Kaiwe = Kalb/Kälbchen

Oachkatzl = Eichhörnchen

Mankei = Murmeltier

Oimarausch = Alpenrose

Latschen = Bergkiefer

Leberbleame = Leberblümchen

des is mei Gei = das ist meine Heimat

doudelt = sehr still, leise, leblos

Holler = Holunder

 

Bildbeschreibung x:

Oimarausch = Alpenrose

Koim und Ox = Kalbin und Ochse

do schaugst, Spezi = Was gibt es da zu sehen, Freund?

Broz = Kröte

Dostn = Rossminze

Mankei = Murmeltier

Aufbaggld zum Gipfebiwak = schwer bepackt für das Gipfelbiwak

 

 

Ursula Höllerl

Mitarbeiterin in der Gäste-Information Schliersee, aufgewachsen in Neuhaus und Miesbach. Mein Motto: "Ein Tag am Berg ist wie eine Woche Urlaub – egal ob im Sommer zum Wandern oder im Winter beim Schneewandern, Skifahren und Rodeln."