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Regisseurin Alexandra Kaufmann: „Geschichten, die sonst unerzählt blieben.“

Es war ein Foto, das Alexandra Kaufmann nicht mehr aus dem Kopf ging. Ein Bild, das sich der Schlierseer Regisseurin einbrannte: ein Pferd auf einer Müllhalde. Ausgesetzt im Zuge der Eurokrise in den 2010er-Jahren. Als Renn- und Zuchtpferde plötzlich kein Statussymbol mehr waren, sondern teure Hobbys einer vergangenen Zeit. Aus der Schwarzweiß-Fotografie von Gianpaolo La Paglia ist heute ein Dokumentarfilm entstanden. Im Mai dieses Jahres feierte „Las Hermanas de Rocinante“ („Rosinantes Schwestern“) Weltpremiere auf dem Münchner DOK.fest, im Juni war die Kurzfassung auf ARTE zu sehen.

 

 

Über drei Jahre lang porträtiert Alexandra Kaufmann die Arbeit von Lois Ford, einer Pferderetterin in der spanischen Region Valencia. Der Hintergrund: Auf den Baum-Boom in Spanien folgte die Wirtschaftskrise – viele Besitzer konnten sich ihre stolzen Zuchtpferde sowie deren Futter und Pflege nicht mehr leisten. Abgemagert, krank, ausgesetzt und sich selbst überlassen: Alexandra Kaufmann nimmt die Perspektive der betroffenen Pferde und ihrer Retter ein – und liefert so einen zutiefst menschlichen Blick auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit.

 

Eine Stimme für Spaniens vergessene Pferde

„Mir war wichtig, dass diese Geschichte nicht unerzählt bleibt“, sagt die 39-Jährige, die zwischen ihren Auslandsdrehs in Schliersee lebt und arbeitet. „Mein Film rückt die Pferde und den Respekt vor ihnen in den Mittelpunkt.“ Insgesamt viermal reiste die Regisseurin mit ihrem Team an die Costa Blanca, wo unweit des Mittelmeers der Hof von Pferderetterin Lois Ford – einer Britin – liegt.

 

Gemeinsam mit einer bunten Truppe von Helfern aus England, Deutschland, Argentinien und Spanien befreit Lois Ford Pferde, die nicht mehr gepflegt oder gefüttert werden – und nicht selten vom Hungertod bedroht sind. Mehrmals im Monat rettet das kleine Team vergessene Vierbeiner: „Für den Film haben wir drei Erzählperspektiven: die erwachsenen Helfer, die Mädchen auf dem Hof und natürlich die Pferde – das ist eine Herausforderung“, sagt Alexandra Kaufmann.

 

 

 

Südtiroler Filmförderung unterstützt den Dokumentarfilm

Um „Las Hermanas de Rocinante“ zu finanzieren, realisierte Alexandra Kaufmann eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Auf diese Weise konnten ein Recherchedreh – mit Filmausrüstung, Reisen und Unterkünften für ihr Team – und auch der erste Rohschnitt finanziert werden. Seit dem vergangenen Jahr ist auch die Südtiroler Filmförderung IDM an Board, die schon Alexandra Kaufmanns Abschlussfilm („Being You, Being Me“) unterstützt hat. Und mit Sonja Kilbertus von Evolution Film München hat die Regisseurin eine Produzentin an der Seite, „die immer an unseren Stoff geglaubt hat, zum Glück“.

 

Eine Zusammenarbeit, die sich bewährt hat: Im Juni war „Die Pferderetterin. Spaniens vergessene Tragödie“ als Dokumentarfilm bei ARTE zu sehen. In der 43-minütigen Fassung geht es vor allem um Protagonistin Lois Ford und ihre Mission. Die Festival-Langfassung als Coming-of-Age-Story mit Fokus auf die pferdebegeisterten Mädchen am Hof feierte schon im Mai beim DOK.fest in München Weltpremiere. Dazu schaffte es „Las Hermanas de Rocinante“ gleich auf die Shortlist zweier wichtiger Branchenpreise – des ARRI AMIRA Awards sowie des FFF Förderpreises Dokumentarfilm.

 

„Über Umwege einen eigenen Zugang zur Kunst gefunden“

„Mein Wunsch, mich in Film auszudrücken, war schon immer da – und auch die Geschichten, die ich erzählen wollte“, sagt Alexandra Kaufmann. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in München studierte die 39-Jährige Journalismus an der Freien Universität Berlin, bevor sie ihr Regiestudium an der ZeLIG – Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und Neue Medien in Bozen/Südtirol aufnahm. Trotz familiärer Prägung – Alexandra Kaufmanns Vater ist der Fotograf Hans-Günther Kaufmann, ihre Mutter Sylvia Kaufmann besitzt eine Agentur für Grafikdesign – habe sie „über Umwege einen eigenen Zugang zur Kunst gefunden“, so Alexandra Kaufmann.

 

Wie der aussieht, zeigt sich bereits 2013 in ihrem Abschlussfilm „Being You, Being Me“: Die Regisseurin pflegt einen ruhigen Erzählstil, arbeitet mit starken, fast poetisch anmutenden Bildern und ist unglaublich nah dran an ihren Protagonisten. Was auch daran liegt, dass sie mit ihrer ersten Regiearbeit die Geschichte ihres Bruders erzählt: einem besonderen jüngeren Bruder, der wie ein Dirigent mit dem Wind spielt und ihn durch die Bäume vor dem Fenster fahren lässt. Der mit seinem Rufen die Vögel im Wäldchen anlockt. Und der mit Behinderung lebt, seit er im Alter von knapp zwei Jahren für einen kurzen Moment ohne Sauerstoff war.

 

 

 

Tiefe Verbindung zwischen Filmteam und Protagonisten

Durch die bewusst gewählte Innensicht des Films erfährt der Zuschauer so viel mehr als beim vermeintlich neutralen Blick von außen. Auch bei der Langzeitbeobachtung „Las Hermanas de Rocinante“ ist eine tiefe Verbindung zwischen Filmteam und Protagonisten entstanden. Entsprechend nah darf Alexandra Kaufmann den Menschen auf dem Pferderettungshof kommen: „Bei einem Dokumentarfilm lässt du dich ganz und gar ein auf das, was passiert“, sagt Alexandra Kaufmann. „Skript und Szenenplanung werden von der Realität immer wieder über den Haufen geworfen. Das muss man als Regisseurin auch erst einmal aushalten.“

 

Mit ihrem aktuellen Lebensort Schliersee hat Alexandra Kaufmann ein Gegengewicht gefunden zu ihren Herausforderungen im Joballtag: „Mein beruflicher Weg ist so total außerhalb jeder Routine, dass ich die Beständigkeit hier am See so wertschätze. Die Tatsache, dass so viele Dinge hier unverändert bleiben, ihren immer gleichen Rhythmus haben“, sagte Alexandra Kaufmann. „Kaum bin ich eine Nacht und einen Morgen am Schliersee, habe ich mich schon wieder ‚aufgefühlt’.“

 

„Der See ist meine große Leidenschaft“

Und noch etwas hat Alexandra Kaufmann am Schliersee für sich entdeckt ‒ die Fotografie: „Der See ist meine große Leidenschaft. Seit dreieinhalb Jahren mache ich fast täglich Fotos von ihm“, verrät sie. „Ich bin zwar in München geboren, aber hier im Oberland nahe der Wälder und Berge aufgewachsen. Tiere und die Natur sind sehr wichtig, damit es mir gutgeht.“ Sie habe lange in Italien gelebt und sich deshalb nie vorstellen können, in den Süden von München zurückzukehren, fügt Alexandra Kaufmann hinzu. Es sei vermutlich nicht für immer, aber: „Gerade ist hier alles im Gleichgewicht für mich.“

 

Tipp: Im Rahmen der Filmkunstwochen in München wird „Las Hermanas de Rocinante“ am 11. August um 11:00 Uhr im City-Kino gezeigt. Zu Gast wird auch Regisseurin Alexandra Kaufmann sein: https://filmkunstwochen-muenchen.de/programm-2019/filmstadt-muenchen/

 

Hier entlang zum ARTE-Trailer für „Die Pferderetterin“: https://www.facebook.com/watch/?v=376218962999630

 

Mehr zu Alexandra Kaufmanns Regiearbeit

 

https://www.lashermanasderocinante.com
https://www.facebook.com/lashermanasderocinante/

 

Fotos 5-13: © Evolution Film

 

 

Sandra Leu

Rheinländerin in Oberbayern. Ist der Liebe gefolgt und hat den Schliersee als Herzensort entdeckt. Freie Redakteurin, PR-Frau und Mama von Zweien. Zeigt Unternehmerinnen und Gründerinnen, wie sie mit Storytelling sichtbar werden und ihre besten Kunden anziehen. Ihr Business: Hallo Heldin! Ihre Kreativitätstechnik: die Joggingrunde um den See.