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Freddie – die raffinierte Rabenkrähe vom Schliersee

Vor acht Jahren ‒ es war gerade Winter und bitterkalt ‒ bemerkte ich an der Schlierach eine junge Rabenkrähe, die im Schnee nach Nahrung suchte. Ich war damals wieder einmal mit meinem Hund unterwegs und hatte deshalb Leckerlis dabei. Ich legte für die Krähe ein Leckerli auf einen der Weidezaunstempen am Schlierachwegerl, und als ich weit genug entfernt war, holte es sich die Krähe und flog davon. Seit Jahren gehe ich dort regelmäßig mit dem Hund spazieren, und im Laufe vieler Jahre entwickelte sich so ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen der Krähe, mir und meinem Hund.

Bis heute ist mir unklar, ob es sich bei der Krähe um ein Männchen oder um ein Weibchen handelt, aber irgendwann sprach ich sie spontan und ohne großes Nachdenken mit „Freddie“ an, einer Kurzform, die sowohl für Friedrich als auch für Friederike steht. Durchaus zutreffend wäre ebenso eine Wortkombination aus „frech“ + „ready“ = „Freddy“.

Freddie sieht mich längst mit dem Auto kommen, noch bevor ich auf dem Schlierachparkplatz parke, um dort wie gewöhnlich an der Schlierach mit Hund Riggi Gassi zu gehen. Freddie wartet irgendwo versteckt, bis ich ausgestiegen bin, und umflattert und begleitet mich bei meinem Spaziergang so lange, bis ich wieder ins Auto einsteige und nach Hause fahre.

Nach all den Jahren traut sich Freddie nun bis auf einen halben Meter an mich heran, aber nur wenn ich alleine bin ‒ und so mancher Passant wird im Vorübergehen bestimmt von mir annehmen, dass ich verrückt sei, wenn ich gerade irgendwo stehe und mich wie selbstverständlich mit einer Krähe unterhalte: „Da isser ja, der Freddie, der alte Bazi, geh halt amoi her …“ (siehe Video …)

Freddie hat sich gut entwickelt und sich ein eigenes Revier ringsum den Parkplatz an der Schlierach erobert. Von seinem Nistbaum aus behält er stets alles „unter Kontrolle“, und Eindringlinge wie Elster oder Wanderfalke entdeckt er sofort und vertreibt sie. Da hat er dann verständlicherweise plötzlich auch keine Zeit mehr für mich.

Nach wenigen Jahren wurden aus einer Krähe schnell mal bis zu sechs Familienmitglieder, die mir Freddie natürlich allesamt vorgestellt hat. Übrigens, ein Krähenpaar bleibt ein Leben lang zusammen. Rabenkrähen können gut 15 Jahre alt werden und gehören trotz ihrer Größe zur Gruppe der Singvögel.

Freddies neuester Spaß ist es, mich von hinten dicht anzufliegen und mich beim Überfliegen kaum spürbar an meinem Hut zu streifen, dann setzt er sich souverän auf einen Aussichtspunkt und schaut mich recht frech-amüsiert an ‒ vielleicht lacht er mich insgeheim aus, weil ich in seinen Augen „immer noch nicht fliegen kann“. Ähnliche Scherze erlaubt er sich auch mit meinem Hund Riggi, welcher dies – inzwischen in die Jahre gekommen ‒ gelassen duldet. Beispielsweise landet Freddie gerne geschickt hinter Hund Riggi, hüpft dann schelmisch gebückt von hinten auf ihn zu und tut so, als wolle er ihn in den Hintern zwicken (siehe Video).

Bis heute hält Freddie respektvollen Abstand vor fremden Personen, seine natürliche Scheu vor den Menschen hat er Gott sei Dank nie verloren, er ist ein Wildtier geblieben.

Durch Unkenntnis und aus finstersten Fantasien menschlicher Abgründe heraus entstanden in grauer Vorzeit üble Schauergeschichten über Rabenvögel, Galgenvögel, Pechvögel, die sich bis in unsere Zeit zu halten scheinen. Aus eigener Erfahrung kann ich überzeugt sagen: Alles nur dummes Geschwätz ‒ nur weil sie schwarz gefärbt sind, manchmal im Müll wühlen oder für manche Menschen unheimlich und laut krähen! Erst wenn man sich unvoreingenommen mit Rabenkrähen beschäftigt, wird man schnell feststellen, wie intelligent sie sind und dass sie ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten leben. Und so bin ich durch selbst erlebte Beobachtungen zu einem verständnisvollen Freund dieser außergewöhnlichen Vogelart geworden.

Wie viele Jahre werden wir uns wohl noch an der Schlierach begegnen, der Freddie und ich?
Ob der Freddie es wohl auch spürt ‒ „für einen Moment das Glück Schliersee“?

Fotos+Text: 27.3.2017 Helmut Jenne sen.

Weiterführende links:

LBV-Oberbayern über Rabenkrähen:

http://oberbayern.lbv.de/voegel-und-artenschutz/rabenvoegel/die-rabenkraehe.html

 

 

Helmut Jenne

Auf seinen Streifzügen durch die Natur ist sein Fotoapparat ein ständiger Begleiter. Helmut Jenne, wohnhaft in Schliersee, ist Musiker und EDV-Fachmann, Fotokünstler und Naturliebhaber. Mit seinen Fotos dokumentiert er seine Erlebnisse auf sehr natur- und heimatverbundene Weise, und so entstehen - trotzdem weltoffen - tief empfundene Momente und Blicke auf Landschaften, Pflanzen und Tiere der Berg- und Seenwelt rund um Schliersee.

 

 

„Großer Fuchs“ in Schliersee – Eine Wanderung für alle Sinne

Das Frühjahr entdecken im Herzen Schliersees

An den ersten warmen Sonnentagen im Frühling ab Mitte März bis Anfang April, wenn sich der Schnee im kleinen Ort Schliersee nicht mehr hält, stürzt sich alles Leben eifrig ins Frühjahrsgetümmel ‒ „DIE GELEGENHEIT“ für besondere Entdeckungen!

Vom Schlierseer Rathaus über die Hans-Miederer-Straße bis zur Hochburg wären es eigentlich nur 10 Minuten zu Fuß, aber ich nehme mir bewusst zwei Stunden Zeit, um die vielen versteckten „kleinen Wunder“ der Natur und Kultur, die mir hier zufällig am Wegesrand begegnen, auch „erstaunen“ zu können. Gegen 10 Uhr gehe ich los.

(c)HelmutJenneSen-DerWegZurWeinbergkapelle

Rechts vom Schlierseer Rathaus führt ein schmaler Weg hinauf zur Weinbergkapelle St. Georg.

Während ich gehe, lausche ich aufmerksam den Vogelgesängen und erkenne Stare, Blaumeisen, Amseln, Kleiber und Rabenkrähen. Ein knallgelber Zitronenfalter fliegt unübersehbar vorüber.

Erste Blüten von weißen Buschwindröschen, blauen Leberblümchen, gelben Schlüsselblumen und Huflattich spitzen aus dem Boden, und dann ‒ eine kleine Sensation ‒, ein Schmetterling, der in unserer Gegend eigentlich nicht vorkommt, nämlich der „Große Fuchs“, setzt sich genau vor mir ins Gras.

Diese in Deutschland sehr gefährdete Tagfalterart versucht seit einigen Jahren fast unbemerkt, den Landkreis Miesbach zu erobern, mitunter indirekt ein Verdienst vieler Naturschutzmaßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt. Ein zunehmend achtsamer Umgang mit der Natur bringt uns insgesamt mehr Lebensqualität zurück. Außergewöhnliche Naturbeobachtungen können Naturfreunde der Naturschutzbehörde des Landratsamts Miesbach und interessante Vogelbeobachtungen direkt dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) melden.

(c)HelmutJenneSen-Zitronenfalter(c)HelmutJenneSen-KönigLudwigIIDenkmal(c)HelmutJenneSen-AussichtWeinbergkapelle

An einer Büste König Ludwigs des II. halte ich kurz inne. Auch der „Bayern-Kini“ soll hier gewesen sein, und so wie er damals, so genieße auch ich heute auf einer der Bänke vor der Kapelle St. Georg die Aussicht über Schliersee.

Hinter der Kapelle führt der Weg wieder hinab zur Hans-Miederer-Straße. Unten angekommen, folge ich der Straße aufwärts zwischen historischen Bauernhäusern und stattlichen Häuschen.

Mitten in einer Hecke blühen Märzenbecher, in den Gärten Krokusse, Schneeglöckchen, ja sogar gepflanzte rosa Schneerosen sind zu entdecken.

Hoch über mir fliegt ein seltener Tannenhäher und setzt sich auf die Spitze der höchsten Fichte. Nur durch sein leises Krächzen wurde ich auf ihn aufmerksam.

Ein unscheinbarer Weg führt links hinauf zur Hochburg, ein schon seit dem Mittelalter genutzter Burgberg. Heute ziert ihn das sehenswerte Karl-Haider-Denkmal des Fremdenverkehrsvereins Schliersee e.V.

(c)HelmutJenneSen-AussichtVonDerHochburg

Besonders im Frühjahr hat man von hier oben durch den noch niedrigen Bewuchs eine schöne Aussicht auf den Schliersee und die Berge. Unter der Woche verläuft sich zu dieser Jahreszeit kaum jemand hierher ‒ dann lässt sich die Natur in Ruhe beobachten.

Entspannt sitze ich auf einer Bank, vor mir spitzen erste Veilchen zwischen Dornen hervor, und der „Kleine Fuchs“ (leicht zu verwechseln mit dem etwas größeren „Großen Fuchs“) fliegt in dieser Zeit schon zahlreich in werbendem Hochzeitstanz. Hinter mir raschelt ein Eichhörnchen, auf Bayerisch „Oachkatzl“ (Eichkätzchen), und sucht nach seinen letzten Wintervorräten.

Auf einem fast zugewachsenen dornigen Schleichwegerl gehe ich in kleinen Serpentinen abwärts und entdecke unterhalb der Hochburg wild wachsende Eiben. Die Eibe ist ein seltener strauchiger Baum, aber Vorsicht, er ist sehr giftig!

Nach zwei Stunden gegen Mittag komme ich voller Freude zurück, und der Biergarten vom Ratskeller gleich neben dem Rathaus hat zufällig schon geöffnet, eine gute Gelegenheit für„a guade Brotzeit“.(c)HelmutJenneSen-BiergartenAmRathaus

Naturbewusst und genussvoll kann es sein, „für einen Moment das Glück Schliersee“.

 

Biergarten Ratskeller Schliersee
http://www.ratskeller-schliersee.com/

Fremdenverkehrsverein Schliersee e. V.
http://www.schliersee-touristik.de/

Fachlicher Naturschutz
http://www.landkreis-miesbach.de/Bürgerservice/Dienstleistungen/Natur_Umwelt/Naturschutz/

Landesbund für Vogelschutz
http://www.lbv-miesbach.de/start.html

 

Helmut Jenne

Auf seinen Streifzügen durch die Natur ist sein Fotoapparat ein ständiger Begleiter. Helmut Jenne, wohnhaft in Schliersee, ist Musiker und EDV-Fachmann, Fotokünstler und Naturliebhaber. Mit seinen Fotos dokumentiert er seine Erlebnisse auf sehr natur- und heimatverbundene Weise, und so entstehen - trotzdem weltoffen - tief empfundene Momente und Blicke auf Landschaften, Pflanzen und Tiere der Berg- und Seenwelt rund um Schliersee.