Beiträge

Wildschütz, Frauenschwarm und Volksheld – der Mythos des Girgl Jennerwein

Es war wohl einer der spektakulärsten Kriminalfälle des ausgehenden 19. Jahrhunderts: der Mord am Wildschütz Georg Jennerwein. Auf dem Friedhof der Kirche St. Martin im Schlierseer Ortsteil Westenhofen hat der umstrittene Wilderer, Abenteurer und Frauenheld seine letzte Ruhestätte gefunden – wenn man der Inschrift auf dem schmiedeeisernen Grabkreuz Glauben schenkt.

Bis heute bleiben Leben und Sterben des legendären Volkshelden ein geheimnisvolles Mysterium. Zahlreiche Geschichten und Legenden ranken sich um sein jähes Lebensende auf dem „Peißenberg am Rinnerspitz“ in den Schlierseer Bergen.

Die beiden Hobbyhistoriker Schorsch Kirner und Hias Krinner haben sich nun erneut mit dem Leben des Georg Jennerwein beschäftigt und die Broschüre „Girgl Jennerwein – wie es wirklich war“ herausgebracht. Kirner und Krinner ackerten unzählige alte Akten durch, hörten sich Anekdoten von Jennerwein-Ahnen an und rollten anlässlich des 140. Todestages des Wildschütz im vergangenen Jahr den Fall neu auf.

Das geheime Versteck

Im Besitz Schorsch Kirners befindet sich nämlich schon seit Jahrzehnten ein ganz besonderer Gegenstand: das Gewehr des Girgl Jennerwein. Kirners Taufpatin Anni Jennerwein pflegte zu ihren Lebzeiten Kontakte zum Wirtshaus „Hennerer“ in Schliersee, wo die Wildschützen damals ein- und ausgingen. Eines Tages überreichte sie ihrem damals noch jungen Patensohn einen vergilbten Zettel, auf dem ein alter Heustadl im Leitzachtal eingezeichnet war sowie der Hinweis auf einen dort vom Wildschütz Jennerwein versteckten Gegenstand auf einem Sims. Und tatsächlich: Kirner fand ein altes Gewehr. Nähere Details verschwieg die Taufpatin jedoch. Sie verriet lediglich, dass sie das Gewehr von der Hennerer Lisl bekommen habe.

Geboren wurde Georg Jennerwein im Jahr 1848 in Haid bei Holzkirchen als Sohn einer armen Magd. Als junger Mann nahm er am Frankreich-Feldzug 1870/71 teil und kehrte zusammen mit seinem damaligen Freund und späteren Mörder Joseph Pföderl unversehrt in die Heimat zurück.

Der Pföderl ‒ ein Mörder?

Was war der Pföderl für ein Geselle? Schorsch Kirner und Hias Krinner zufolge war er ein mittelmäßiger Holzfuhrknecht aus Bad Tölz. Am Leonharditag, dem 6. November 1876, besuchte er ein Tölzer Wirtshaus, um sich dort mit seiner Angebeteten, dem „Agerl“ von der Sigrizalm, zu treffen und ihr einen Heiratsantrag zu machen. Dummerweise tauchte auch der schneidige Georg Jennerwein dort auf und machte dem „Agerl“ ebenfalls schöne Augen. Es kam, wie es kommen musste: Das Agerl entschied sich für den feurigen Wildschütz und ließ den armen Pföderl links liegen.

Ein Jahr später, Pföderl arbeitete inzwischen als Jagdgehilfe, erfuhr er, dass „sein Agerl“ ein Kind mit dem Erzfeind Jennerwein hatte und dieser immer noch als Wilderer in den heimischen Bergen sein Unwesen trieb. Pföderl schmiedete finstere Rachepläne und hoffte, den Girgl einmal auf frischer Tat zu ertappen. Die Wildschützen und Jäger trafen sich damals gern beim „Hennerer“ in Schliersee, der auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel am Fuße der Schlierseer Berge ist. Bei ihrem letzten Aufeinandertreffen provozierte Jennerwein den Pföderl auf unverschämte Art und gab damit dessen Wut neue Nahrung.

Einige Zeit nach diesem denkwürdigen Tag verschwand Georg Jennerwein spurlos.

Grausiger Fund am Peißenberg

Zwei Tage lang durchstreiften seine Kameraden die Berge rund um den Schliersee und gelangten schließlich in das Kühzagltal. Dort, am sogenannten Schwarzholzeck nahe der „Rinnerspitz“, fanden sie den toten Wildschütz. Die Verstümmelungen im Gesicht des Toten und seine seltsame Lage – er hielt sein Gewehr umklammert, und die rechte große Zehe klemmte am Abzugshahn – ließen zuerst einen Selbstmord vermuten. Doch den entscheidenden Hinweis auf einen heimtückischen Mord fand man rasch: ein Schussloch im Rücken. Man hatte Georg Jennerwein kaltblütig von hinten erschossen.

Kurze Zeit später gestand Joseph Pföderl den Mord an seinem einstigen Kameraden und wurde am 20. November 1978 rechtmäßig verurteilt. Allerdings „nur“ zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung. Warum das Urteil so milde ausfiel, lässt sich wohl nicht mehr genau nachvollziehen. Doch Pföderl bekam seine Strafe auch so: Er wurde in das Forstrevier Valepp versetzt, begann zu trinken und wurde am Ende wahnsinnig.

 

 

Ein Gamsbock zur Erinnerung

Vor dem Hintergrund dieses Schlierseer „Krimis“ um Georg Jennerwein lohnt sich ein Besuch seines Grabes auf dem Westenhofener Friedhof allemal. Mit viel Glück entdeckt man vielleicht sogar eine der manchmal sehr denkwürdigen Hinterlassenschaften, die treue Anhänger des Wildschütz auch heutzutage immer wieder auf sein Grab legen. Da finden sich dann Gamsböcke, Hirschläufe oder ähnliche Skurrilitäten. Kurioser Fund in jüngster Zeit: eine Patrone mit dem eingravierten Spruch „für Deinen Mörder“.

Jennerwein-Lied (1. Strophe, Verfasser unbekannt)

„Ein stolzer Schütz in seinen schönsten Jahren,

er wurde weggeputzt von dieser Erd.

Man fand ihn erst am neunten Tage

auf hohen Peißenberg bei Tegernsee.“

 

Eine Auflistung der Verkaufsstellen der Broschüre „Girgl Jennerwein – wie es wirklich war“ von Schorsch Kirner und Hias Krinner ist im Internet unter www.georgjennerwein.de erhältlich.

 

 

Katharina Fitz

Wohnhaft in Warngau, geboren in Tegernsee, aber dem Schliersee herzlich zugetan. Zweifache Mama und als freiberufliche Redakteurin, Sprecherin und Schauspielerin viel unterwegs. Steckenpferde: Kunst und Kultur, Natur (vor allem Bäume) und Schuhe!

 

 

 

Schliersee für’s Sofa – der Krimiautor Andreas Föhr

An einem eisigen Januarmorgen wird im zugefrorenen Spitzingsee die Leiche eines 15-jährigen Mädchens gefunden. Kurioses Detail: Sie wurde durch einen Stich mitten ins Herz getötet und trägt ein goldenes Brokatkleid …

Bei diesen Worten läuft es einem kalt den Rücken herab. Ein Mord – am beschaulichen Spitzingsee? Zum Glück sind diese Sätze nicht der Realität entsprungen, sondern der Fantasie von Andreas Föhr. Er zählt zu den bekanntesten Krimi-Autoren Deutschlands.

Mit dem Fund der oben genannten, auf kuriose Weise getöteten und seltsam gekleideten Leiche beginnt Föhrs allererster Roman: „Der Prinzessinnenmörder“. Dass diese Geschichte in der Gemeinde Schliersee ihren Anfang findet, ist kein Zufall. Andreas Föhr ist am Tegernsee aufgewachsen und hat dort seine gesamte Schulzeit verbracht. „Im Winter sind wir oft zum Schliersee rübergefahren, weil der im Gegensatz zum Tegernsee an kalten Tagen zugefroren war. Dort konnten wir dann Schlittschuh laufen.“ Seine Romane über die beiden unkonventionellen polizeilichen Ermittler Kommissar Clemens Wallner und Polizeiobermeister Leonhard Kreuthner spielen fast ausschließlich im Landkreis Miesbach. Beide sind für die Kripo Miesbach im Einsatz – rein fiktiv, versteht sich. Dieser Leonhard Kreuthner ist nämlich ein ziemlicher Haudegen, der es mit dem Gesetz nicht immer ganz genau nimmt. „Aber schlau ist er“, sagt Föhr augenzwinkernd über seinen zweiten Protagonisten. Wer schon mal einen der mittlerweile acht Romane des Schriftstellers über das bajuwarische Ermittlergespann gelesen hat, weiß, dass ohne Kreuthner so mancher Fall nicht hätte gelöst werden können. Diese Tatsache muss auch sein Kollege Wallner des Öfteren zähneknirschend in Kauf nehmen. Mit Kommissar Wallner hat Föhr einen Gegenpart zu seinem aufmüpfigen Polizeibeamten Kreuthner geschaffen. Wallner bringt kaum etwas aus der Ruhe, außer sein agiler Großvater Manfred vielleicht, mit dem der Junggeselle in einer Art Wohngemeinschaft lebt. Schon irgendwie schräg, die Charaktere in Föhrs Büchern. Aber die Geschichten sind unheimlich spannend und dank des manchmal deftigen Humors und der Prise bayerischen Lokalkolorits nicht nur im Landkreis ein Verkaufsschlager. Bis nach Norddeutschland reist Andreas Föhr zu Lesungen, denn scheinbar sind Bayern und vor allem der Tegernsee und der Schliersee „da drobn“ äußerst beliebt.

Zum Schreiben kam Andreas Föhr durch einen Freund. „Mein Schulfreund Thomas Letocha hat mich Anfang der Neunzigerjahre gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zusammen Drehbücher zu schreiben. Ich hatte Lust, und so hat sich das entwickelt. 2009 hab ich mich dann hingesetzt und mit meinem ersten Roman begonnen, dem ‚Prinzessinnenmörder‘.“ Sein Erstlingswerk war auf Anhieb ein Erfolg und wurde sogar mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet.

Drehbücher schreibt Andreas Föhr mittlerweile fast gar keine mehr, die Schriftstellerei ist zu seiner Berufung geworden. 2016 hat er eine neue Romanfigur erschaffen, diesmal eine Frau: Rachel Eisenberg, eine clevere Rechtsanwältin mit interessanten charakterlichen Ecken und Kanten. Neben ihrem Job als Mitinhaberin einer Münchener Kanzlei ermittelt sie in Mordfällen und klärt diese auf ebenso ungewöhnliche Art und Weise auf wie ihre beiden „Kollegen“ der Miesbacher Kripo.

Doch zurück zu Wallner und Kreuthner. Ob und wie viele Fortsetzungen es von der beliebten Romanreihe noch geben wird, darauf will Andreas Föhr sich nicht festlegen. Bestimmt spielen jedoch in einigen davon auch wieder der Schliersee und seine Umgebung eine Rolle.

„Schwarzwasser“, der jüngste Band der Reihe, ist im Juli erschienen.

Wer mehr von Kreuthner und Wallner lesen möchte: Die Romane von Andreas Föhr sind auch in der „Schlierseer Bücheroase“ erhältlich.

 

 

 

Katharina Fitz

Wohnhaft in Warngau, geboren in Tegernsee, aber dem Schliersee herzlich zugetan. Zweifache Mama und als freiberufliche Redakteurin, Sprecherin und Schauspielerin viel unterwegs. Steckenpferde: Kunst und Kultur, Natur (vor allem Bäume) und Schuhe!