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Alois Wolf – ein großer Schlierseer Name

Volksschullehrer, Brauchtumsbewahrer, Chorleiter, Komponist und Schriftsteller – Alois Wolf hat sich Zeit seines Lebens um die kulturelle Entwicklung der Gemeinde Schliersee verdient gemacht. Für diesen Einsatz erhielt er im Jahre 1985 die Ehrenbürgerwürde. Die Krönung eines Lebens voller Höhen und Tiefen.

Heimat Radspieler-Haus

„Er war ein strenger aber sehr gerechter Mann“, erinnert sich Irmingard Findeiss  an ihren Vater.  Zusammen mit ihrem Bruder Reinhard wuchs die kleine Irmingard in liebevoller Obhut ihrer Eltern Susi und Alois im geschichtsträchtigen Radspieler-Haus im Herzen von Schliersee auf.  Ihre Mutter hatte das Haus von ihrer Großmutter Klara Ashton geerbt, einer Tochter des Münchner Kommerzienrats Franz Radspieler. Unbeschwert und glücklich erlebte Irmingard ihre Kindheit, obwohl der Vater mitunter ein strenges Regiment führte: „Wir mussten immer die Haare ordentlich nach seinen Vorstellungen geschnitten haben“, erzählt sie mit einem Lächeln. Im Radspieler-Haus wurde auch die Tradition der Hausmusik gepflegt.  Die Familie traf sich regelmäßig zum gemeinsamen Singen und Musizieren wobei Alois Wolf Klavier oder Violoncello spielte. Auf dem meist akkurat ausgearbeiteten Programm standen Volksmusikstücke, Klassik und barocke Weisen.

Unkonventionelle Unterrichtsmethoden

Die Leidenschaft fürs Lehren kam nicht von ungefähr. Nach Studium und Kriegsteilnahme in Russland – wo er seinen rechten Arm verlor –  war Alois Wolf von 1943 bis 1972 als Oberlehrer an der Schlierseer Volksschule in der Lautererstraße tätig. Seine Unterrichtsmethoden waren für die damalige Zeit revolutionär:  Wenn das Wetter es erlaubte, unternahm er mit seinen Schülern Ausflüge ins Freie und erklärte Ihnen die Flora und Fauna, die Architektur und den Baustil der Häuser ihrer Heimatgemeinde. Dies trug ihm bei seinen Schülern den Spitznamen „Blasi“ ein –  eine Neckerei, die sich auf  die   Zeitungskolumne „Blasius, der Spaziergänger“  des Münchner Autors  Sigi Sommer bezog . Auf seinem Stundenplan standen auch bayerische Volkslieder und die Förderung  individueller Talente einzelner Schüler, wie Zeichnen oder Musizieren. Eine Unterrichtsmethode, mit der er bei seinen Vorgesetzten nicht immer auf Verständnis stieß.

Das Heimatmuseum in neuem Glanz

Zu den größten Verdiensten dieses außergewöhnlichen Schlierseer Bürgers zählt aber vor allem sein Einsatz für das damals stark vernachlässigte Schlierseer Heimatmuseum. Im Jahre 1960 beauftragte der damalige Bürgermeister Eugen Minholz den Lehrer Alois Wolf mit der Leitung des Gemeindemuseums. Mit viel Akribie und Leidenschaft gelang es dem heimat- und brauchtumsverbundenen Wolf, das Heimatmuseum mit der Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in ein wahres Schmuckkästchen der Vergangenheit zu verwandeln. Dank seines Engagements konnte das Museum 1966 seine feierliche Wiedereröffnung feiern.

Komponist der „Schlierseer Messe“

Auch musikalisch hat Alois Wolf in Schliersee seine Spuren hinterlassen. Als Leiter des Schlierseer Alpenchors verhalf er dem Chor zu neuer Popularität. Er bearbeitete eine Vielzahl von Volksliedern, die noch heute zum Standard-Repertoire gehören. Im Jahr 1980 komponierte er die „Schlierseer Messe“. Sie wurde am 25. Dezember 1980 in  der Schlierseer Sixtus-Kirche uraufgeführt.  Ein großer Tag für Alois Wolf und seine Familie.

1977 veröffentlichte Alois Wolf sein erstes Buch „Aus alten Stuben und Kammern“.  In dem aufwändig bebilderten Band beschreibt er die Möblierung alter Bauernhäuser, steuert mundartliche Bezeichnungen der einzelnen Möbelstücke bei und erklärt anschaulich deren Funktion und Nutzen in damaliger Zeit.

Familienchronik der anderen Art

Bei all seinen Ämtern und Aufgaben nahm er sich jedoch stets Zeit für seine Familie. Wie wichtig ihm Frau und Kinder waren, verdeutlicht die einzigartige Familienchronik „Unser Buch“, die Irmingard Findeiss wie einen Schatz hütet. In ordentlicher Handschrift hat er darin fortlaufende Begebenheiten der Familie niedergeschrieben und mit Zeichnungen, Postkarten, Skizzen und Fotos liebevoll verziert – ein Tagebuch und Zeitzeugnis par excellence. Vor allem seiner 17 Jahre jüngeren Frau Susi galt seine Dankbarkeit und Liebe. „Ohne meine Mutter wäre mein Vater nicht so erfolgreich gewesen“, bekräftigt Tochter Irmingard.  Neben Beruf und Ehrenamt fand Alois Wolf auch Zeit für sportliche Unternehmungen wie Skifahren, Wandern, Radeln und Segeln. „Und gefeiert hat er auch gerne“, verrät seine Tochter lächelnd, „am liebsten im Fasching“.

Nach einem langen, erfüllten Leben starb Alois Wolf im Alter von 85 Jahren am 18. März 1995 an den Folgen eines Schlaganfalls. Doch sein Wirken in Schliersee bleibt unvergessen.

 

 

Die verwendeten Fotos stammen aus dem Privatbesitz von Irmingard Findeiss.

 

 

Katharina Fitz

Wohnhaft in Warngau, geboren in Tegernsee, aber dem Schliersee herzlich zugetan. Zweifache Mama und als freiberufliche Redakteurin, Sprecherin und Schauspielerin viel unterwegs. Steckenpferde: Kunst und Kultur, Natur (vor allem Bäume) und Schuhe!

 

 

 

Carl Schwarz – ein musikalischer Tausendsassa

Ich weiß ein kleines Tal … ‒ so lautet der erweiterte Titel des bekannten Schlierseer Liedes, das Carl Schwarz unserem Ort gewidmet hat. Das Volkslied in bayerischer Mundart erzählt von der unbandigen[1] Schönheit unserer Gegend und dem hiesigen Brauchtum. Die getragene Melodie und die warmen Harmonien lassen den Zuhörer die Idylle und Ruhe rund um den Schliersee geradezu spüren. Mit anderen Worten: Carl Schwarz hat eine wunderschöne Liebeserklärung an Schliersee niedergeschrieben.

Am 9. Februar 1891 wurde Carl Schwarz, der seinen Namen anfangs mit „K“ und später mit „C“ schrieb, in München geboren. Er begann im zarten Alter von sieben Jahren, Zither zu spielen, und übte fleißig, denn, so schrieb er einmal selbst: „Als ich zum erstenmal das Tegernseer Bauerntheater sah […], war ich begeistert, besonders von den Zwischeneinlagen des Zitherterzetts, denn Musik liebte ich über alles. Mein einziger Wunsch war, auch so spielen zu können.“[2] Mit 15 Jahren bekam er ein Engagement als Zitherspieler in der Schweiz. Während seines vierjährigen Aufenthalts in Zürich erlernte er das Streichmelodion, auch Streichzither oder Schoßgeige genannt – ein typisches, aber sehr selten gespieltes Instrument der alpenländischen Volksmusik ‒, und entwickelte sich über die Jahre zu einem Virtuosen auf seinen Instrumenten.

„Im April 1910 kam ich zu den Schlierseern, die gerade in München im Deutschen Theater gastierten“[3], schrieb Carl Schwarz. Bis etwa Ende der 1920er-Jahre, unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, tourte er mit dem Ensemble des Schlierseer Bauerntheaters durch Deutschland, Österreich-Ungarn und die Schweiz – und das nicht nur als Musiker, sondern auch als Darsteller: „Ich spielte auch Naturburschenrollen, aber die Hauptsache war mir […] doch die Musik.“[4] Später bereiste er mit seinem Schwarz-Trio ganz Europa, nahm in den 1930er-Jahren sogar Schallplatten in London auf und war für die jungen Musiker ein großes Vorbild, „eine Größe, ein absoluter Chef, der sich um alles gekümmert hat“, wie sich Kurt Halletz, musikalischer Leiter beim Bauerntheater Schliersee, erinnert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beendete Schwarz seine Laufbahn als Berufsmusiker, blieb aber der Musik und der Schlierseer Bühne bis zu seinem Tod am 7. November 1969 treu – als Leiter der Schlierseer Heimatabende, bei denen er als Musiker und Ansager mit komödiantischem Talent sein Publikum begeisterte. Karl B. Kögl erzählt: „Carl Schwarz war ein musikalischer Tausendsassa. Ich habe ihn als Bub und Jugendlicher viele Male beim Schlierseer Heimatabend als grandiosen Zitherspieler, Sänger und Moderator erlebt.“

In Würdigung seiner Verdienste um den Ort und als Komponist des Schlierseer- und des Spitzing-Liedes wurde Carl Schwarz 1959 zum Ehrenbürger von Schliersee ernannt. Außerdem erinnern die Carl-Schwarz-Straße, unweit des Schlierseer Strandbades, und die vom Fremdenverkehrsverein Schliersee auf der Hochburg angebrachte Gedenktafel an den Musiker und Komponisten. Carl Schwarz‘ letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof der katholischen Kirche St. Sixtus in Schliersee und trägt die sympathische Inschrift „I bin im Himmi drobn u. werd euch alle lobn“[5].

 

 

Quellen:

s’Schlierseer-Büchl. Zum 25-jährigen Bestehen des Schlierseer Bauerntheaters, Hrsg. Dr. Ernst Hohenstatter, im Selbstverlag Der Schlierseer, München 1918, S. 26‒28.

Schliersee 779–1979. Eine Chronik zum Jubiläum, Hrsg. Markt Schliersee, November 1978, S. 99/100, 253, 288, 291, 294.

 

[1] Bayerisch für unbändig, unbeschreiblich.

[2] s’Schlierseer-Büchl. Zum 25-jährigen Bestehen des Schlierseer Bauerntheaters, Hrsg. Dr. Ernst Hohenstatter, im Selbstverlag Der Schlierseer, München 1918, S. 27.

[3] s’Schlierseer-Büchl. Zum 25-jährigen Bestehen des Schlierseer Bauerntheaters, Hrsg. Dr. Ernst Hohenstatter, im Selbstverlag Der Schlierseer, München 1918, S. 27.

[4] s’Schlierseer-Büchl. Zum 25-jährigen Bestehen des Schlierseer Bauerntheaters, Hrsg. Dr. Ernst Hohenstatter, im Selbstverlag Der Schlierseer, München 1918, S. 28.

[5] Bairisch: Ich bin im Himmel oben und werde euch alle loben

 

 

Kathrin Zott

Aufgewachsen und noch immer wohnhaft in Neuhaus am Schliersee, zweifache Mama, studierte Germanistin und Musikpädagogin, freiberufliche Lektorin und Korrektorin – mit anderen Worten: heimatverbundene, musikbegeisterte, kreative, tierliebe und vor allem komplett italienverrückte Leseratte.

 

 

 

Werner Bochmann – der Filmkomponist, der sein Zuhause am Schliersee fand

Kennen Sie ihn, den Schwarzweiß-Filmklassiker Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 1944? Höchstwahrscheinlich! Denn auch heute noch ist diese Filmkomödie fast jedermann ein Begriff. Weniger bekannt dagegen dürfte sein, dass die Musik zu diesem Film aus der Feder von Werner Bochmann stammt, der über 50 Jahre in Schliersee lebte und arbeitete.

Werner Bochmann wurde am 17. Mai 1900 in Meerane, Sachsen, geboren und lernte bereits zu Schulzeiten Klavierspielen. Nach dem Abschluss der Oberrealschule begann er, der Vernunft halber, zunächst ein Chemie- und Mathematikstudium in Dresden. Doch die Liebe zur Musik war letztlich stärker. Bochmann brach sein Studium ab und widmete sich ganz der Musik. Das Kompositionsstudium bei Joseph Gustav Mraczek und Franz Schreker finanzierte er sich durch das Erteilen von Nachhilfestunden in Mathematik.

Nach dem Studium verdiente er sich sein Geld zunächst als Korrepetitor an der Oper in Dresden und dann als Pianist beim Orchester von José Soler, mit dem er durch Europa tourte. Bochmann erzählt darüber: „Jahre, bevor mir der ,Einstieg‘ in die UFA-Karriere glückte, fiel die Entscheidung für die Unterhaltungsmusik, als ich unversehens in das argentinische ,Orchestra tipukta‘[1] des großen José Soler engagiert wurde. Dort war der Pianist ausgefallen. Zunächst in einem Münchener Konzertcafé, dann in vielen Großstädten lernte ich in dieser interessanten Position alles kennen, was das Repertoire spanisch-argentinisch-brasilianischer Folkloremusik zu bieten hatte. Kein Wunder, dass ich mich eines Tages auch als Komponist auf diesem Spezialgebiet versuchte, und als ich das erste Dutzend UFA-Filme komponiert hatte, machte ich meine ersten Aufnahmen mit dem ,Tango-Orchester Werner Bochmann‘ bei COLUMBIA.“[2]

Sein erster großer Kompositionserfolg gelang ihm 1929 mit dem Slowfox I Called to Say Good Night, der nach längerer, erfolgloser Suche nach einem Verlag schließlich in Amerika von Irving Berlin verlegt wurde und zum internationalen Erfolg wurde. Ab 1933 arbeitete Bochmann dann für die Filmgesellschaft UFA und komponierte im Laufe seiner langen Karriere unzählige Lieder, Bühnenstücke sowie Filmmusiken, mit denen er die Zeit des Tonfilmschlagers prägte. Zu seinen bekanntesten Liedern zählen sicherlich Der Theodor im Fußballtor, das in der Interpretation von Theo Lingen im gleichnamigen Film zum Evergreen wurde, sowie Heimat deine Sterne aus dem Film Quax, der Bruchpilot. Durchweg von Erfolg gekrönt waren auch seine Kompositionen für Ilse Werner, deren Talent zum Singen und Pfeifen Werner Bochmann durch einen Zufall entdeckte. 1967 wurde Bochmann mit dem Bundesfilmpreis in Gold, 1984 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse sowie 1985 mit dem Paul-Lincke-Ring ausgezeichnet.

Im Artikel des SPIEGEL-Verlags Eine „Spiegel“-Seite für Werner Bochmann (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44435584.html) aus dem Jahr 1949 berichtet Werner Bochmann in überaus erheiternder Weise über sein Leben als Filmkomponist, das nicht immer so angenehm war, wie man es sich vielleicht vorstellt. Als Bochmann diese Zeilen niederschrieb, lebte er bereits in Schliersee, das er noch während des Zweiten Weltkrieges zu seiner Wahlheimat auserkoren hatte und wo er die Ruhe fand, die er für seine Arbeit brauchte. In seinem Haus am Schliersberg wohnte er bis zu seinem Tod am 3. Juni 1993. Werner Bochmann wurde auf dem Friedhof St. Sixtus in Schliersee beigesetzt.

Die Schlierseer schätzen ihren „Hauskomponisten“[3], wie er auf der Internetseite des Schlierseer Singkreises liebevoll genannt wird, sehr. Karl B. Kögl, der Leiter des Schlierseer Singkreises, erzählt: „Er war ein sehr liebenswürdiger und bescheidener Mann.“ Zum 100. Geburtstag Werner Bochmanns wurden ihm zu Ehren im Schlierseer Bauerntheater unter Leitung von Timm Tzschaschel zwei sehr erfolgreiche Konzerte gegeben. Mit dem Lied Vom Schliersee bis zum Spitzingsee hinterließ Bochmann auch eine Hommage an seine Wahlheimat Schliersee. „Ich selbst singe dieses Lied bei den Kurkonzerten Klingendes Schliersee – Tausend Takte gute Laune, begleitet von den Unterleiten-Musikanten“, berichtet Karl B. Kögl. Außerdem erinnern die Werner-Bochmann-Straße östlich des Schlierseer Bahnhofs sowie eine vom Fremdenverkehrsverein Schliersee gestiftete Gedenktafel auf der Hochburg an den berühmten Komponisten.

 

 

Quellen:

https://www.meerane.de/beruehmte-meeraner-werner-bochmann.html

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44435584.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Bochmann

https://www.singkreis-schliersee.de/schlierseer-komponisten/werner-bochmann/

UFA Autorenporträts – Werner Bochmann, Thema: Mit Musik geht alles besser, Manuskript und Moderation: Helmuth M. Backhaus (Gesamtdauer 65:05), UFA-Musik- und Bühnenverlage, München

[1] Druckfehler? Vermutlich „Orchester Typica“ oder „Orquesta tipica“.

[2] Quelle: https://www.meerane.de/beruehmte-meeraner-werner-bochmann.html.

[3] Quelle: https://www.singkreis-schliersee.de/schlierseer-komponisten/werner-bochmann/.

 

 

Kathrin Zott

Aufgewachsen und noch immer wohnhaft in Neuhaus am Schliersee, zweifache Mama, studierte Germanistin und Musikpädagogin, freiberufliche Lektorin und Korrektorin – mit anderen Worten: heimatverbundene, musikbegeisterte, kreative, tierliebe und vor allem komplett italienverrückte Leseratte.

 

 

 

Ein Stück Schlierseer Musikkultur: Timm Tzschaschel und die „Plauderei am Klavier“

Klaviermusik ist leise zu hören, als ich vor der Haustür von Timm Tzschaschel stehe und mehrfach vergeblich auf den Klingelknopf drücke. Eigentlich sind wir ja zu einem Gespräch verabredet an diesem sonnigen Wintertag in Schliersee, aber über die Musik scheint der Dirigent mich vergessen zu haben. Und dann öffnet sich plötzlich die Tür, und Timm Tzschaschel begrüßt mich strahlend. Ich werde ins Musikzimmer geführt und darf mich direkt neben dem stattlichen Flügel auf der Couch niederlassen. Die Bücherregale an den Wänden reichen bis zur Decke und sind gefüllt mit Literatur über seinen Lieblingskomponisten: Wolfgang Amadeus Mozart. „Mozarts Musik ist geistreich“, erklärt er mir voller Begeisterung. „Seine Kompositionen bestechen durch unfassbare Vollkommenheit.“

Der studierte Musiker lebt seit 31 Jahren am Schliersee. Seit über 20 Jahren lädt er rund siebenmal pro Jahr ins Bauerntheater zu seiner „Plauderei am Klavier“ ein. Je nach Lust und Laune referiert er über verschiedene Komponisten, Opern und andere Themen rund um die Musik. Zwischendurch spielt er immer wieder ein paar Takte am Klavier und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Manchmal greift er aber auch ganz handfeste Aspekte aus dem Alltag auf. Blitz und Donner zum Beispiel, oder Naturkatastrophen, immer begleitet von passenden Tönen und Akkorden. Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen sitzen die Besucher an diesen Abenden auf der Bühne und dürfen den Pianisten und sein Instrument aus unmittelbarer Nähe erleben. Das ist „Musik zum Anfassen“ sozusagen. „Die Leute schätzen diesen besonderen privaten Rahmen“, erzählt Tzschaschel denn auch. Meist kämen etwa 50 Personen, darunter viele Stammgäste, aber auch regelmäßig Gäste von außerhalb.

Freilich ist das nicht sein einziges Standbein. Seit zwölf Jahren leitet der 74-jährige Vollblutmusiker den Schlierseer Alpenchor und seit Kurzem auch den Tegernseer Männerchor. Vor allem die Arbeit mit den Sängern vom Alpenchor macht ihm großen Spaß, weil „die wirklich gut singen“. Er sei immer wieder begeistert vom Talent seiner Schützlinge, die ihr Können bei zahlreichen Auftritten mehrmals pro Jahr unter Beweis stellen.

Hin und wieder übernimmt Tzschaschel auch die Aufgabe des Dirigenten bei Konzerten in seiner Heimatgemeinde. Jedes Jahr Anfang Januar organisiert er ein großes klassisches Neujahrskonzert im Schlierseer Bauerntheater. „Die Musiker leihe ich mir dann gerne vom Salonorchester Bad Wiessee aus.“

Geboren in Berlin und aufgewachsen im Rheinland, studierte Timm Tzschaschel in Köln an der Musikhochschule. Schon damals wollte er unbedingt ins Dirigentenfach. Sein erstes berufliches Engagement führte ihn nach Lübeck. Stationen in Stuttgart und Wien folgten. Als er mit seiner Frau Bettina, einer Sopranistin, und seinen zwei Kindern schließlich nach einem vierjährigen beruflichen Aufenthalt in Thailand nach München kam, entschloss sich die Familie für einen Umzug aufs Land. Die Wahl fiel auf Schliersee, und das hat er nie bereut: „Meine Schlierseer Heimat bedeutet für mich weites Land“, sagt Tzschaschel und kann nicht verstehen, warum sich manche „Norddeutsche“ in den Bergen „eingesperrt“ fühlen. Wenn Besuch kommt, unternimmt das Ehepaar Tzschaschel gern einen Spaziergang zu ihrem Lieblingsplatz: einer Bank oberhalb ihres Hauses an der Schlierseer „Oberleiten“.

Für Timm Tzschaschel bedeutet Musik alles. Ohne sie geht es nicht. Das versucht er auch seinen Schülern, denen er privat Klavierunterricht erteilt, nahezubringen. „Musik soll einfach Freude machen, auch wenn man später beruflich etwas ganz anderes macht.“

Ans Aufhören denkt der „Musikspinner“, wie er schon mal liebevoll von Kollegen und Mitstreitern genannt wird, noch lange nicht. „Manchmal, wenn ich zur Probe nach Tegernsee aufbreche, sage ich schon zu meiner Frau, dass es jetzt auch gemütlich wäre, auf dem Sofa zu sitzen und einen Krimi anzuschauen. Aber dann macht‘s doch wieder Spaß zu musizieren“, gibt er lächelnd zu.

Zum Glück, denn ohne Timm Tzschaschel und sein musikalisches Engagement wäre Schliersee auf jeden Fall um ein Stückchen Kultur ärmer.

Aktuelle Termine der „Plauderei am Klavier“ mit Timm Tzschaschel im Schlierseer Bauerntheater sind unter www.schliersee.de zu finden.

 

 

Katharina Fitz

Wohnhaft in Warngau, geboren in Tegernsee, aber dem Schliersee herzlich zugetan. Zweifache Mama und als freiberufliche Redakteurin, Sprecherin und Schauspielerin viel unterwegs. Steckenpferde: Kunst und Kultur, Natur (vor allem Bäume) und Schuhe!